Handlungsmöglichkeiten zur Unterstützung von Wild- und Honigbienen aus Sicht des Deutschen Imkerbundes
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Handlungsmöglichkeiten
zur Unterstützung von
Wild- und Honigbienen
aus Sicht des
Deutschen Imkerbundes
Version: 1.6
Stand: 26.02.2022
Klassifizierung: final
Verfasser: August-Wilhelm Schinkel
Inhalt
Einführung 4
1. Vorgehensmodell 5
2. Zuständigkeit des Deutschen Imkerbundes 6
3. Zur Situation der Honigbiene 8
3.1 Bienenweide 8
3.2 Honigbienenverbotszonen 10
4. Die Situation der Wildbienen 11
4.1 Nahrungsabsicherung 12
4.2 Nistmöglichkeiten 12
4.3 Rückzugsgebiete - Überwinterungsmöglichkeiten 13
5. Das Spannungsfeld Wildbienen - Honigbienen 13
5.1 Wissenschaftliche Erkenntnisse 14
5.2 Eigene Überlegungen 15
6 Ursachen des Insektensterbens 17
6.1 Politische und gesellschaftliche Faktoren 17
6.2 Klimawandel 19
6.3 Wegfall Nahrungsgrundlagen 19
6.4 Bebauung – Versiegelung der Landschaft 19
7. Was kann man tun? 21
7.1 Bauwerke 21
7.1.1 Wohnhäuser 21
7.1.2 Bahnsteigüberdachungen und Haltestellenhäuschen 25
7.1.3 Brücken 26
7.1.4 Masten, Säulen und Schornsteine 27
7.2 Straßen und Verkehrsflächen 29
7.2.1 Straßenbelag und Pflasterungen 29
7.2.2 Straßenbau 30
7.2.3 Straßenbäume 31
7.2.4 Gleisbettnaturierung 33
7.3 Verkehrsmittel 35
7.4 Stromerzeugung 36
7.4.1 Photovoltaikanlagen 36
7.5 Landwirtschaft 37
7.5.1 Pflanzenschutzmitel 37
7.5.2 Ackerkulturen 39
7.5.3 Überackerung 42
7.5.4 Problemkreis Mähen und Mulchen 42
7.6 Gärten, Grünflächen und Parks 44
7.6.1 Öffentliches Grün 44
7.6.2 Zäune/Mauern 45
7.6.3 Schottergärten und Rindenmulch 46
7.6.4 Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in Privatgärten 47
7.7 Bäume 48
7.8 Professionelle Insektenvernichter 50
8. Fazit 51
9. Danksagung 52
10. Impressum 52
Wer einen Missstand beheben will, sollte nicht glauben, dass es für die Misere nur eine Ursache gibt. Regelmäßig gibt es eine Vielzahl von Ursachen. Deshalb ist es auch unsinnig, dem Missstand mit nur einer einzigen Maßnahme begegnen zu wollen. Vielmehr bedarf es eines ganzen Bündels von Maßnahmen. (Franz Josef Strauß)
Einführung
Die Honigbiene kommt immer mehr in den Focus von Naturschützern, die meinen, dass sie die Wildbienen schützen können, wenn sie die Aufstellung von Honigbienenvölkern verhindern können. Sicher mag es Fälle geben, in denen eine Nahrungskonkurrenz zu beobachten ist. Jedoch handelt es sich dabei um ein Sekundärphänomen. Ursache für jede denkbare Nahrungskonkurrenz ist regelmäßig das Vorliegen einer Nahrungsunterversorgung. Es ist daher sinnvoll, zunächst einmal die Primärursachen zu ermitteln und zu bekämpfen. Gelingt das erfolgreich, lösen sich die Sekundärphänomene von allein auf.
Das Insektensterben hat vielfältige Gründe. Deshalb muss eine Beschäftigung mit dem Thema auf breiter Front erfolgen. Gründliche Überlegungen zu Ursachen, zu ergreifenden Maßnahmen, zu kreativen Lösungen und auch zum öffentlichen Bewusstsein sind anzustellen. Dabei dürfen auch die – sicher erheblichen – Kosten nicht aus den Augen verloren gehen. Und das alles muss im Einklang mit der Natur geschehen: Diese ist der beste Problemlöser. Die Natur hat u. a. durch die Nahrungskonkurrenz die heutige Artenvielfalt geschaffen und sie bietet uns auch Lösungsmöglichkeiten an, die nachstehend aufgezeigt werden.
Nun mag mancher denken, dass die intensive Beschäftigung mit Wildbienen nicht zu den Aufgaben eines Imkerverbandes gehört. Das stimmt nur auf den ersten Blick. Beschäftigt man sich damit aber genauer, so wird sofort klar, dass alles, was der Wildbiene nützt, auch den Honigbienen hilft. Beide Bereiche überlappen sich nahezu vollständig. „Ein umfassender Schutz von Wildbienen zielt u. a. stets auf die Förderung blüten- und artenreicher Vegetation auch außerhalb der Schutzgebiete ab und so profitiert umgekehrt jeder lmker letztlich auch von allen Maßnahmen des Wildbienenschutzes. “
Der Deutsche Imkerbund (D. I. B.) hat sich das Thema Wildbienen zu eigen gemacht und versteht sich als offensiver und führender Wildbienenbewahrer und -förderer. Damit hat er am ehesten die Möglichkeit, sich frühzeitig in die Diskussion einzubringen und dabei durch gute Argumente zu überzeugen.
1. Vorgehensmodell
Ausgehend von einer gründlichen Bestandsaufnahme, die für die weitergehenden Schritte die notwendigen Basisdaten liefert, werden anschließend die Daten analysiert, damit eine konkrete Problembeschreibung erfolgen kann. Daran schließt sich die Planung und Realisierung von Lösungsmöglichkeiten an. Dabei ist darauf zu achten, dass möglichst viele, wenn nicht sogar alle denkbaren Alternativen gefunden werden.
Dazu ein Beispiel:
Das Automobil gilt als eine Ursache für das Insektensterben. Mit welchen Maßnahmen könnte die Insektenvernichtung durch das Automobil reduziert werden?
- Geschwindigkeitsbegrenzung
- Ergonomie des Fahrzeugs
- Deckelung von Straßen
- Straßen als Alleen konzipieren
- etc.
Die Planung der verschiedensten Aufgaben sollte nach einem in der Wirtschaft bewährten Vorgehensmodell erfolgen:
Jede gefundene Aufgabe ist in ein Aufgabenregister einzutragen (siehe Anlage). Dabei sind folgende Angaben zu machen:
- Beschreibung der Aktivitäten
- Kategorisieren in kleine, mittlere, große Vorhaben
- Unterscheidung in kurz-, mittel- oder langfristige Erreichbarkeit
- Nutzen der Maßnahme aufzeigen
- Verantwortlichkeit
o Deutscher Imkerbund
o Mitgliedsverbände
o Imkervereine
o Mitglieder und Bürger
- Priorisieren
- Status
Wir werden nach kürzester Zeit ein ganzes Bündel von zu bewältigenden Aufgaben haben, die naturgemäß nicht alle auf einmal abgearbeitet werden können. Daher müssen die Aufgaben priorisiert werden. Zu betrachtende Faktoren für die Priorisierung sind einerseits der arbeitsmäßige Umfang der Arbeiten, zum anderen die Antwort auf die Frage, wie schnell man bestimmte Projekte umsetzen kann. Die Priorisierung kann dann nach folgendem Schema vorgenommen werden:
2. Zuständigkeit des Deutschen Imkerbundes
Zunächst ist zu klären, ob es mit zu den satzungsgemäßen Zielen des Deutschen Imkerbundes gehört, sich um Wildbienen zu kümmern. § 3 der Satzung regelt Zweck und Aufgaben des Verbandes wie folgt:
Zweck des „Deutschen Imkerbundes e. V.“ ist es, die Bienenhaltung zu fördern und zu verbreiten, damit durch die Bestäubungstätigkeit der Honigbiene an Wild- und Kulturpflanzen eine artenreiche Natur erhalten bleibt. Dieser Satzungszweck wird insbesondere durch folgende Ziele verwirklicht:
1. Wahrnehmung und Vertretung der Interessen der Imkerverbände und deren Mitglieder.
2. Förderung einer zeitgemäßen Bienenzucht.
3. Mitwirkung in Naturschutz und in der Landschaftspflege.
Die Förderung von Wildbienen sowie eine artenreiche Natur zu erhalten, gehört zweifellos zum Naturschutz dazu. Deshalb ist das Thema „Wildbiene“ satzungskonform.
Der Deutsche Imkerbund muss sich so aufstellen, dass für jedermann sofort erkennbar ist, dass er sich auch als Coach und Lobbyist der Wildbienen versteht. Das könnte in der Weise erreicht werden, dass auf allen Ebenen Verantwortliche für Wildbienen benannt werden. Auf Bundesebene ist das auf dem Deutschen Imkertag in Konstanz 2019 schon erfolgt, indem offiziell ein Präsidiumsmitglied mit den entsprechenden Aufgaben betraut wurde. Aber wie sieht es in den 19 Mitgliedsverbänden aus? Gibt es in jedem Landesverband Obleute für Wildbienen? Die nachstehende Tabelle zeigt :
1 Baden Obmann für Bienenweide
2 Bayern Obmann für Bienenweide und Naturschutz
3 Berlin Obmann für Bienenweide und Umwelt
4 Brandenburg Obmann für Bienenweide und Umwelt
5 Hamburg Obmann für Bienenweide und Kleingarten
6 Hannover Obmann für Beobachtung und Bienenweide
Obmann für Bienenschutz, Naturschutz und Landschaftspflege
7 Hessen Obmann für Biene und Umwelt
Obmann für Bienen und Landwirtschaft
8 Mecklenburg-Vorpommern Obmann für Bienenweide
9 Nassau -
10 Rheinland Obfrau für Bienenweide
Obmann für Natur- und Umweltschutz
11 Rheinland-Pfalz Obleute für Bienenweide
Obmann für Pestizide
12 Saarland Fachwart für Bienenweide
13 Sachsen Obmann für Bienenweide
14 Sachsen-Anhalt Obfrau für Bienenweide
15 Schleswig-Holstein -
16 Thüringen Fachbereich Bienenweide, Natur-u. Umweltschutz
17 Weser-Ems Obmann für Bienenweide, Naturschutz und Bestäubung
18 Westfalen-Lippe Obfrau für Bienenweide, Natur- und Umweltschutz
19 Württemberg -
Wildbienen sind danach höchstens in den Mitgliedsverbänden ein spezielles Thema, die eine(n) Obfrau(mann) für Naturschutz oder Bienenweide haben. Diese Formulierung ist m. E. aber nicht aussagekräftig genug. Es sollten explizit Obfrauen/-männer für Wildbienen ausgewiesen werden.
Die einzurichtenden Obleute/Fachberater für Wildbienen sollten sich regelmäßig - am Besten in Wachtberg – als Arbeitsgemeinschaft der Wildbienenobleute /Fachberater treffen. Diese AG koordiniert ein Wildbienenmonitoring (ggf. in Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen und entwickelt daraus resultierende Handlungsempfehlungen. Aber auch Infomaterial und Mustertexte zu Wildbienen und führt spezielle Aktionen durch.
Aktionen, die beschlossen werden, sollten auf allen Verbandsebenen umgesetzt werden. So wären alle Gruppierungen des Deutschen Imkerbundes in der Lage, erfolgreich etwas zu bewegen:
- Bund DEUTSCHER IMKERBUND
- Land Mitgliedsverbände
- Kommunen Imkervereine
- Öffentlichkeit alle Verbandsebenen
3. Zur Situation der Honigbiene
Die Honigbiene hat zwar eine Menge Probleme zu bewältigen, aber sie ist noch nicht gefährdet, da der Imker sich um sie kümmert.
Allerdings gibt es mancherorts – vor allem in städtischen Bereichen - Probleme mit der Massierung von Bienenvölkern, insbesondere durch rücksichtslose Bienenvölkeraufstellung bei der Anwanderung von Trachten. Teilweise ist zu beobachten, dass Wanderimker ihre Völker nicht direkt in einem Trachtgebiet aufstellen, sondern sie berücksichtigen bei der Auswahl des Aufstellungsortes den Flugradius der Tiere. So können sie eine Tracht nutzen, obwohl sie ihre Völker in einem anderen Bundesland aufgestellt haben (z. B. in Berlin/Brandenburg zur Lindentracht). Eine entsprechende Beratung der einzelnen Imker bzw. ein Wander- und Aufstellmanagement wäre hier auch im Interesse der Wildbienen vonnöten. Voraussetzung für eine solche Beratung ist es, genaue Kenntnis über Standplätze und Völkerzahlen zu erlangen. Das gäbe den Verantwortlichen auch Argumente, wenn sie mit dem Vorwurf der Nahrungskonkurrenz zu Wildbienen konfrontiert werden.
Denkbar wäre es, als ersten Schritt nicht nur die in den Mitgliedsverbänden des Deutschen Imkerbundes organisierten Imker, sondern auch die Anschriften ihrer Bienenstände sowie die Zahl der dort aufgestellten Bienenvölker zu erfassen. Diese Bestandsaufnahme, die auch auf europäischer Ebene vorangetrieben wird, stellt dann die Grundlage für weitergehende Überlegungen dar.
3.1 Bienenweide
Die vorstehend angesprochene Massierung von Bienenvölkern wirft die Frage nach dem Ernährungswert bei bestimmter Flächennutzung auf. Zurzeit liegen noch keine Erkenntnisse vor, ob bestimmte Flächen die dort aufgestellten Bienen hinreichend ernähren können.
Für die wichtigsten Kulturen sind in der nachstehenden Tabelle der Mehrertrag oder sonstige Auswirkungen zusammengefasst und die benötigte Völkerzahl für eine optimale Bestäubung pro Hektar angegeben :
Frucht Empfohlene Völkerzahl pro ha Sonstiger Benefit
Apfel 3 - 4 Ohne Bienen 10 % Fruchtbildung mit Bienen 65 % Fruchtbildung, bessere ausgeformte Früchte
Birne 3 - 4 Mit Bienen dreifacher Ertrag
Bohnen 2 - 3 Mit Bienen 21 % höheres Samengewicht und 6 % höheres Hülsengewicht
Buchweizen 4 - 5 Ohne Bienen 6,7 % Samenbildung, mit Bienen 55,7 % Samenbildung
Erdbeere 1 - 2 Ohne Bienen 50 - 59 % Fruchtbildung, mit Bienen 80 %.
Heidelbeere 7 - 8 Mit Bienen wird die Fruchtbildung um 31 % erhöht
Himbeere 2 Ohne Insekten 16 - 70 % Fruchtbildung, mit Bienen 64 - 98 % Fruchtbildung. Ohne Bienen kann der Ertrag um 70 - 80 % fallen.
Karottensamen 7 - 8 Ohne Bienen 367 kg/ha Ertrag, mit Bienen 864 Kg/ha Ertrag. Ohne Bienen Keimfähigkeit 88 %, mit Bienen 96 %
Kirsche 4 - 5 Mit Bienen 67 % mehr Fruchtansatz
Kiwi 8 Mit Bienen Steigerung des Fruchtgewichts um 21,4 g
Kleesamen 7 - 8 Ohne Bienen 1 Samen/Blühkopf, mit Bienen 56 Samen/Blühkopf
Raps 7 - 9 Ohne Bienen 1 - 10 Samen/Schote. Mit Bienen 15 - 30 Samen/Schote und früheres Abblühen, bei höherem Ölgehalt
Sonnenblume 2 - 3 Ohne Bienen 81 Samen/Blühkopf - Ölgehalt 28 %. Mit Bienen 503 Samen/Blühkopf - Ölgehalt 42 %
Diese Tabelle gibt eine Mindestanzahl von Bienenvölkern an, die von den jeweiligen Anbauflächen sicher ernährt werden können. Sie sagen aber nichts darüber aus, wie viele Bienenvölker maximal in einem Gebiet aufgestellt werden können. Die aufgeführten Werte sind lediglich Durchschnittswerte, die je nach Klima vor Ort und Wetterverlauf differieren können.
Ein Indikator für eine zu hohe Dichte an Honigbienen könnte der durchschnittliche Honigertrag in der Bundesrepublik sein, da bei einer starken Massierung von Bienenvölkern in einem Gebiet eine Verringerung der Ertragsleistung pro aufgestelltem Volk festgestellt werden kann. Dies gilt umso mehr als durch kontinuierliche Zuchtbemühungen die Honigleistung in den letzten 70 Jahren stetig gesteigert wurde :
Möglich wurde diese Steigerung durch die Einführung der Zuchtwertschätzung. „Vor der Zuchtwertschätzung verbesserte sich das genetisch bedingte Niveau für die Honigleistung
um 0,05 % pro Jahr. Nach Beginn der Zuchtwertschätzung war der Fortschritt mit 0.65 % pro Jahr 13-
mal höher. … Durch die Weitergabe von Zuchtmaterial profitieren nicht nur Züchter von dem Zuchtfortschritt, sondern die gesamte Imkerschaft. Bei den Züchtern hat sich in den letzten 20 Jahren der Honigertrag um 0,7 kg pro Volk und Jahr erhöht.“
Inwieweit diese Bemühungen möglicherweise zu einer Nahrungskonkurrenz geführt haben, siehe Kapitel 5.
3.2 Honigbienenverbotszonen
Diese finden wir insbesondere in Naturschutzgebieten. 3,9 % der Fläche der Bundessrepublik sind als Naturschutzgebiete ausgewiesen. In den meisten von ihnen dürfte die Haltung von Honigbienen verboten sein. Für weitere Überlegungen und Gespräche benötigen wir belastbare Daten:
- Lage und Größe der Naturschutzgebiete?
- Ist dort die Honigbienenhaltung verboten?
- Im Verbotsfall: Gibt es einen Bestandsschutz für Imker, die vor der Unterschutzstellung dort schon geimkert haben?
- Befinden sich außerhalb Völker, deren Aktionsradius in die Verbotszonen hineinreicht?
Aber auch manche Kleingartenvereine sind nicht mehr bereit, Honigbienenvölker in ihrem Areal aufzunehmen. Auch diese Gebiete müssen in gleicher Weise erfasst werden, da gerade Kleingartengebiete eine Fülle von Nahrungsmöglichkeiten für Wild- und Honigbienen bereithalten.
Für dieses Thema sind wir vor allem auf die Mitarbeit der Mitgliedsverbände und Imkervereine angewiesen, um an verlässliche Daten zu kommen.
4. Die Situation der Wildbienen
In der Bundesrepublik Deutschland werden aktuell 592 verschiedene Wildbienenarten geführt. Sie hier einzeln aufzuführen würde den Rahmen dieser Betrachtung sprengen. Es wird daher auf das Standardwerk von Paul Westrich „Die Wildbienen Deutschlands“ verwiesen Diesem können genaue Profile für einzelnen Wildbienenarten, ihre Verbreitungsgebiete in der Bundesrepublik Deutschland, notwendige Nahrungsgrundlagen, ihre Nistgewohnheiten, etc. entnommen werden.
In der aktuell gültigen „Roten Liste der Bienen Deutschlands 2011“ werden von 561 gelisteten Wildbienenarten 293 Arten oder 52,6 % als ausgestorben oder gefährdet bewertet.
Auf eine entsprechende kleine Anfrage der GRÜNEN hat die Bundesregierung u. a. in ihrer Antwort vom 25.06.2016 folgende Zahlen bekanntgegeben:
Artengruppe Anzahl vom Aussterben bedrohter Arten
RL 1 Anzahl stark gefährdeter Arten
RL 2 Anzahl gefährdeter Arten
RL 3 Gefährdung unbekannten Ausmaßes
RL G Bestandsgefährdete Arten in Prozent/Gesamtzahl der Arten
Bienen
Hymenoptera, Apidae 31 78 85 34 40,9 % / 561
Spanner, Eulenspinner und Sichlflügler (Lepidoptera: Geometridae et Drepanidae) 35 30 41 14 24,8 % / 445
Spinnerartige Falter (Lepidoptera: Bombyces, Sphinges s. 1.) 22 25 25 1 30,9 % / 251
Tagfalter 12 33 25 7 39,1 % / 188
Quelle: Bundesamt für Naturschutz (BfN)
Die vorstehende Übersicht bildet die ganze Dramatik bzgl. des Insektensterbens ab. Diese Zahlen (aus dem Jahre 2011!!!) zeigen sehr deutlich: Wenn wir die gefährdeten Spezies nicht abschreiben wollen, dann muss sofort etwas geschehen und es muss an allen Fronten, mit allen Mitteln etwas bewegt werden.
Nicht kleckern, klotzen!
Wenn man in einem Gebiet etwas für Wildbienen tun will, sollte man sich durch eine gründliche Bestandsaufnahme (Monitoring) vorher Klarheit darüber verschaffen, welche Wildbienen es dort gibt. Da sie ganz unterschiedliche Ansprüche an ihre Umwelt haben, ist dieses Wissen unabdingbare Voraussetzung, um möglichst sinnvolle Maßnahmen entwickeln und durchführen zu können. Es gilt der Grundsatz:
Was nicht gemessen werden kann,
kann nicht beurteilt werden!
Biologen verweisen regelmäßig darauf, dass drei Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit eine Spezies überleben kann:
- genügend artspezifische Nahrung
- geeignete Nistmöglichkeiten
- das Vorhandensein von ausreichenden Rückzugsgebieten.
Diese Aspekte sollen im Folgenden einzeln näher betrachtet werden:
4.1 Nahrungsabsicherung
Die Diskussion um die Blühstreifen für Honigbienen hat gezeigt, wie schwierig es ist, für die einzelnen Regionen in der Bundesrepublik passende Saatgutmischungen zu entwickeln. Ein weiterer Schritt ist dann noch die Werbung für deren Einsatz. Erst wenige Gärtner haben für ihre Kunden Listen, welche Pflanzen für Wildbienen von Interesse sind. Noch weniger Gärtner haben nicht nur Positivlisten, sondern auch Negativlisten, aus denen sich für die Bienen unbrauchbare Pflanzen ergeben.
Da viele Wildbienen in ihren Nahrungsanforderungen sehr spezialisiert sind, reicht eine pauschale Beurteilung von Pflanzen, ob sie „wildbienentauglich“ sind, nicht aus. Hilfreich wäre die Bereitstellung entsprechender Listen, damit man den Anbau der wichtigsten Wildbienennahrungspflanzen gezielt und verstärkt fördern kann. Daraus abzuleiten wären dann Empfehlungen für Feld, Garten und Balkon.
4.2 Nistmöglichkeiten
Wildbienen nutzen eine Vielzahl von Nistmöglichkeiten :
- 50 % nisten im Erdboden
- 3 % nagen ihre Gänge selbst ins Holz oder in markhaltige Pflanzenstängel
- 19 % nutzen bestehende Hohlräume
- 1 % baut Nester aus Harz oder mineralischem Material
- 25 % parasitieren als Kuckucksbienen bei anderen Arten, bei etwa
- 3 % ist die Nistweise bislang nicht bekannt.
Die Aufstellung zeigt, dass Wildbienen ein sehr unterschiedliches Nistverhalten haben. Entsprechend unterschiedlich müssen die Hilfsangebote sein. Schaut man in die einschlägige Literatur für Nisthilfen, so findet man tolle Ideen für Hohlraumnutzer, schon deutlich weniger über Nistmöglichkeiten für Nager, aber nur sehr wenig zu Bodennistern.
Wo die Nistweise nicht bekannt ist, kann man natürlich keine Aktivitäten entwickeln. Gleiches gilt für die Kuckucksbienen. Wenn man die Wirtsbienen fördert, kommt das auch den parasitierenden Kuckucksbienen zu Gute (ein weiterer wichtiger Sekundäreffekt).
4.3 Rückzugsgebiete - Überwinterungsmöglichkeiten
Die Habitate, in die sich Insekten zurückziehen können, werden immer kleiner. Dabei kann jeder Einzelne auch hier etwas tun: keine „geleckten“ Gärten, Anlage von Totholzecken, etc.
Wie man seinen Garten wildbienengerecht gestalten kann siehe z. B. den Praxisratgeber der Deutschen Wildtierstiftung „Wildbienen schützen und fördern im Kleingarten“, der auch kostenlos aus dem Internet heruntergeladen werden kann (https://www.grueneliga-berlin.de/wp-content/uploads/2016/07/1_Praxisratgeber_Wildbienen_Wildtierstiftung.pdf)
5. Das Spannungsfeld Wildbienen - Honigbienen
Es ist bei manchen Naturschützern modern geworden, den Honigbienen vorzuwerfen, sie würden den Wildbienen die letzten Nahrungsreserven wegfressen. Über Ideologien und Glauben kann man schwerlich diskutieren. Nur Fakten bieten eine sinnvolle Grundlage für fruchtbringende Diskussionen. Fakt ist z. B., dass Vögel im Jahr weltweit etwa 400 bis 500 Millionen Tonnen Insekten vertilgen. Spinnentiere vertilgen ebenfalls noch einmal 400 bis 800 Millionen Tonnen Insekten . Nach den ausgewerteten Studien von Nyffeler et. al. verzehren Vögel in europäischen Wäldern im Schnitt rund 40 kg Insekten pro Hektar. Rechnet man das auf die gesamte Waldfläche Deutschlands hoch, verzehren allein Vögel nur in den Wäldern Deutschlands pro Jahr mehr als 450.000 Tonnen Insekten.
Muss man deshalb die Vögel bekämpfen? Doch wohl nicht!
Daher folgende Überlegungen zu den bekannten Fakten:
5.1 Wissenschaftliche Erkenntnisse
Es gibt eine Vielzahl von Studien und Untersuchungen, die aber alle nur Schlaglichter auf spezielle Situationen werfen. Ende 2017 haben Mallinger et al. 146 wissenschaftliche Studien zum Zusammenleben von Wildbienen mit Honigbienen ausgewertet und sind dabei zu sehr differenzierten Aussagen gekommen. Prof. Jürgen Tautz hat die Erkenntnisse Mallingers wie folgt zusammengefasst :
Die analysierten Publikationen wurden unter drei Gesichtspunkten ausgewertet:
1. Die Konkurrenz um Blüten und um Nistplätze
2. Indirekte Effekte durch Veränderungen in Pflanzengesellschaften, z. B. durch die Ausbreitung eingeschleppter Arten zu Lasten einheimischer Arten
3. Die Übertragung von Krankheiten und Parasiten
Das Bild, das sich ergibt, lässt keine eindeutigen Antworten zu. Die Resultate der Studien, die sich mit einer möglichen Konkurrenz zwischen Honigbienenvölkern und Solitärbienen befassen, weisen in etwa der Hälfte der Fälle negative Auswirkungen von Honigbienen nach. In der anderen Hälfte belegen sie gar keine oder gemischte Folgen im Zusammenleben, je nach betrachteter Art der Wildbienen.
Ähnliche Ergebnisse ergeben sich für die Betrachtung einer Verschiebung in der Zusammensetzung der Vegetation.
Klarer ist das Bild bei der Untersuchung von Übertragungsrisiken von Krankheiten und Parasiten von Honig- auf Wildbienen. Hier haben sich in 70 Prozent der Studien negative Auswirkungen auf Wildbienen gezeigt.
Die hohe Variabilität in den Resultaten der Studien erklärt sich aus den teilweise sehr unterschiedlichen Umständen der Untersuchungen. Zum einen ist „Wildbiene“ ein Sammelbegriff für einige hundert Arten, von denen viele unterschiedliche Anforderungen an ihre Umwelt haben. Je nach betrachteter Wildbienenart können die Ergebnisse daher auch verschieden ausfallen. Auch die Beschaffenheit der Umgebung, in der die Studien durchgeführt werden, hat erwartungsgemäß einen Einfluss auf die Resultate. So finden sich auch Studien, die für bestimmte Bedingungen positive Auswirkungen von der Anwesenheit von Honigbienen auf Wildbienen finden.
Es gibt allerdings eine Erkenntnis, die sich durchgehend zeigt: Honigbienenrassen und Wildbienen kommen in den Regionen, in denen die betrachtete Rasse heimisch ist, besser miteinander aus, als es bei eingeführten Rassen der Fall ist. Welche Schlussfolgerungen ergeben sich für die Praxis?
Um einen negativen Einfluss von beimkerten Honigbienen auf Wildbienen zu verhindern oder klein zu halten, empfehlen die Autoren, dort, wo es machbar ist, einheimische Bienenrassen zu nutzen, auf eine für die entsprechende Region sinnvolle Dichte an Bienenvölkern zu achten und bei den beimkerten Bienenvölkern Krankheiten und Parasiten sorgfältig zu bekämpfen.
Wenn man nicht nur Honigbienen hält, sondern auch dafür sorgt, dass die Honigbienen eine passende Umwelt vorfinden, werden alle profitieren, auch die Wildbienen. Die Natur und die Menschen brauchen beide als wichtige Bestäuberinsekten!
Diese Empfehlungen von Professor Tautz entsprechen einer guten imkerlichen Praxis.
5.2 Eigene Überlegungen
Bevor man Überlegungen anstellt, wieviel Nektar und Pollen die Gesamtzahl unserer Honigbienenvölker aus der Natur gewinnen – dieser Wert steht dann anderen Bienenarten und Insekten nicht mehr zur Verfügung – muss man zunächst den Bedarf eines einzelnen Bienenvolkes ermitteln.
Prof. Tautz hat bzgl. des Nektarbedarfs ausgeführt :
Am dichtesten an die Wahrheit führt eine Methode, bei der für alle relevanten Einflussgrößen die Minimal- und Maximalwerte ermittelt werden. Daraus ergibt sich die sogenannte Spannbreite, innerhalb der sich der realistische Wert bewegt. Aber Vorsicht: Auch dieser Wert kann von Tag zu Tag und von Bienenvolk zu Bienenvolk schwanken.
Hierzu dieser Ansatz:
• Eine Sammelbiene kann in ihrem Honigmagen zwischen 20 und 40 Milligramm Nektar transportieren.
• Eine Sammelbiene absolviert pro Tag zwischen drei und zehn Ausflügen.
• Eine Sammelbiene kann über eine Periode von 10 bis 20 Tagen sammeln.
• Eine Kolonie kann im Laufe eines Sommers 100.000 bis 200.000 Sammelbienen hervorbringen.
Daraus lassen sich wiederum die Extremwerte der zu erwartenden Nektarsammelleistung berechnen:
• Minimalwert:
20 Milligramm x 3 Ausflüge x 10 Tage x 100.000 Bienen = 60 kg Nektar
• Maximalwert:
40 Milligramm x 10 Ausflüge x 20 Tage x 200.000 Bienen = 1.600 Kg Nektar
Durch Eindickung entsteht aus einer Einheit Nektar ein etwa halb so großes Honigvolumen – nach unserer Rechnung also zwischen 30 und 800 Kilogramm Honig pro Volk.
Soweit die Theorie. Dieses berechnete Honigvolumen wird allerdings so zu keiner Zeit tatsächlich vorhanden sein, da es in einem riesigen Kreislauf von Neubildung und Verbrauch eingebettet ist. Außerdem würde der Speicherplatz im Bienenvolk für die erheblichen Mengen nicht einmal annähernd ausreichen. Ein anderer Ansatz, der sich über den Energieverbrauch im Bienenvolk an die dafür nötige Honigmenge herantastet, kommt zu ähnlichen Werten der Honigproduktionsleistung eines Bienenvolkes.
Hinsichtlich des Pollenbedarfs hat das Zentrum für Bienenforschung in Liebefeld/Schweiz einen Bedarf von 3,4 bis 4,3 mg Pollenverbrauch jeder Arbeitsbiene ermittelt. Dazu kommen noch 17 - 34 kg Pollen für die Aufzucht von 100 - 200.000 Bienen. Bei einer durchschnittlichen Volksstärke von 30.000 Bienen kommt man dann auf einen Bedarf von rund 75 kg Pollen im Jahr.
Aus diesen Überlegungen ergibt sich folgendes Bild:
Anzahl Anzahl Verbrauch pro Volk Honigernte
Jahr Bundesländer Imker Völker 75 kg Pollen (geschätzt) 300 kg Nektar (geschätzt) kg pro Volk
1951 alt 181.988 2.082.578 156.193.350 312.386.700 10,6
1951 neue 44.946 480.100 36.007.500 144.030.000 5,9
1951 alte + neue 226.934 2.562.678 192.200.850 768.803.400 9,7
2020 alte + neue 132.633 884.461 66.334.575 265.338.300 30,1
Differenz -94.301 -1.678.217 -125.866.275 -503.465.100 20,4
Aus der Darstellung ergibt sich, dass heutzutage in Deutschland der Natur von den Honigbienen mehr als 125.000 Tonnen Pollen und mehr als 500.000 Tonnen Nektar weniger entzogen werden, als 1951. Bei dieser Darstellung bleibt allerdings unberücksichtigt, dass 1951 die Völker kleiner waren, als heutzutage.
Vergleicht man die Völkerdichte 1951 mit der heutigen, so ergeben sich folgende Zahlen :
Fläche km² Völker Völker / km²
alte BRD 249.000 2.082.578 8,4
neue BRD 357.582 884.461 2,5
Es zeigt sich, dass die Zahl der Völker pro km² auf nahezu ein Viertel der Dichte von 1951 zurückgegangen ist. Die Statistiken des Deutschen Imkerbundes erfassen leider nicht die Zahl der Bienenstände eines jeden Imkers. Berücksichtigt man aber, dass es auch Mitglieder ohne Bienen gibt, so kann man näherungshalber wohl davon ausgehen, dass die Zahl der Imker der Zahl der von ihnen betriebenen Bienenstände entspricht. Bei den Bienenständen ergibt sich danach folgendes Bild:
Fläche km² Imker Stände/ km²
alte BRD 249.000 181.988 0,73
neue BRD 357.582 132.633 0,37
Auch hier stellen wir eine Halbierung der Zahl der Bienenstände pro Quadratkilometer fest.
Diese Überlegungen sprechen dafür, dass es allerhöchstens regional zu Konkurrenzsituationen kommen kann.
Bei vorstehender Betrachtung ist allerdings noch nicht der Habitatsverlust in den letzten 70 Jahren berücksichtigt. Siehe dazu auch Kapitel 6.3.
6 Ursachen des Insektensterbens
Das Insektensterben hat eine Vielzahl von Ursachen, die für sich betrachtet sehr unterschiedlicher Natur sind. Deshalb muss auch mit einer Vielzahl von Maßnahmen dem entgegengewirkt werden. Die nachstehende Aufstellung wirft daher nur Schlaglichter auf einzelne Aspekte.
Auf einige dieser Faktoren soll nachstehend näher eingegangen werden:
6.1 Politische und gesellschaftliche Faktoren
Wenig beachtet wird bei der Diskussion über das Bienensterben, das es auch allgemeine gesellschaftliche und politische Faktoren gibt, die zu einer Reduktion der Zahl der Bienen führen. Das soll am Beispiel der Honigbiene erläutert werden.
Jahr Anzahl
Mitglieder Anzahl
Völker Völker pro Imker
1951 181.988 2.082.578 11,4
2020 132.633 884.461 6,7
In den letzten 70 Jahren hat sich die Art der Imkerei deutlich verändert. Hatte 1951 noch jeder im Deutschen Imkerbund organisierte Imker im Durchschnitt 11,4 Völker, so waren es Ende 2020 nur noch 6,7. Allein aus dieser Entwicklung erklärt sich der Verlust von rund 1,3 Millionen Honigbienenvölkern , ohne dass man Einflussfaktoren wie den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, Flächenversiegelung etc. berücksichtigen muss.
In den Großstädten ist die Abnahme der Völker pro Imker noch dramatischer, da dort ein Imker regelmäßig nur noch etwa 4 Völker bewirtschaftet. Gleichwohl stieg in den letzten Jahren die Zahl der Bienenvölker in den Großstädten immer weiter an. Grund dafür ist ein verändertes Imkern. Früher hat man sich Bienenvölker zugelegt um zu imkern. Heute legen sich viele Menschen nur noch ein oder zwei Bienenvölker zu, weil sie meinen, dadurch einen sinnvollen Beitrag für den Naturschutz leisten zu können.
Ein weiteres Phänomen hat mit der Wiedervereinigung Deutschlands zu tun. In der DDR brauchten sich Imker nur um die Honigproduktion zu kümmern. Die Vermarktung übernahm die zuständige Aufkaufstelle (VKSK). Nach der Wende war jeder Imker auf sich allein gestellt. Viele, insbesondere ältere Imker sind mit diesem Wandel nicht zurechtgekommen und haben daher ihre Imkerei aufgegeben. Die Folge war natürlich nicht nur eine Verminderung der Zahl der Imker, sondern auch ein dramatischer Rückgang der Zahl der Honigbienenvölker.
6.2 Klimawandel
Biologen und Ökologen sind sich einig darüber, dass das Aussterben von Spezies auch auf den Klimawandel zurückzuführen ist. Der Deutsche Imkerbund steht allen Organisationen positiv gegenüber, die sich das Thema Klimawandel auf die Fahnen geschrieben haben. Auch der Deutsche Imkerbund spricht das Thema Klimawandel seit 2019 verstärkt an. Die meisten der für Wildbienen anzudenkenden Maßnahmen wirken sich positiv auf das Klima aus.
Bedingt durch den Klimawandel wandern viele wärmeliebenden Wildbienenarten nach Deutschland ein und daraus resultierend steigt die Anzahl der Arten. Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass gleichzeitig z.B. seltene und an kälteres Klima angepasste Hummelarten verdrängt werden.
6.3 Wegfall Nahrungsgrundlagen
Die Gründe für den Wegfall von Nahrungsgrundlagen sind vielfältig. Bienenunattraktive Ackerkulturen, Wegfall von Feldrainen, Flächenversiegelung, Schottergärten, Einsatz von Pflanzenschutzmitteln etc. tragen alle dazu bei. Im Folgenden sollen einige der wichtigsten Gründe genauer betrachtet werden:
6.4 Bebauung – Versiegelung der Landschaft
Laut dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit werden täglich 69 ha Flächen verbraucht. Gegenüber der Vergangenheit ist das schon eine deutliche Verringerung. Von der Bundesregierung angestrebt wird eine Reduzierung auf nur noch 30 ha pro Tag im Jahre 2030. Dieses Ziel dürfte nicht erreicht werden. Die Folge des Flächenverbrauchs ist eine zunehmende Versiegelung der Landschaft .
Entwicklung des Flächenverbrauchs in Hektar pro Tag:
Die Siedlungs- und Verkehrsfläche wird von den Statistischen Ämtern in der Statistik tatsächlicher Flächennutzung erhoben. Zur Siedlungs- und Verkehrsfläche gehören:
- Gebäude und gebäudebezogene Flächen für Nutzungen wie Wohnen, Handel,
Dienstleistungen, Gewerbe, Industrie und Entsorgung,
- Erholungsflächen (Sportplätze, Campingplätze),
- Verkehrsflächen: Straßen, Wege, Plätze, Bahngelände, Flughäfen,
- Betriebsflächen ohne Abbauland (Halden, Lager …) und
- Friedhöfe.
Zurzeit sieht die Nutzungssituation wie folgt aus
Vergleicht man diese Zahlen mit denen von 1989 , so ist festzustellen, dass die Wald- und Wasserfläche in den vergangenen 30 Jahren gemessen an der Gesamtfläche der Bundesrepublik prozentual zugenommen hat. Die Landwirtschaftsfläche hingegen hat deutlich abgenommen.
1989 2019
Wasserfläche 1,8 2,3
Waldfläche 29,8 31
Landwirtschaftsfläche 54,3 50,7
7. Was kann man tun?
Um dieser Entwicklung etwas entgegen zu setzen, sollte nach folgendem Leitsatz vorgegangen werden:
Was der Natur genommen wird,
muss ihr auch zurückgegeben werden.
Ist das nur eine fromme Vorstellung oder lässt sich das wirklich machen? Wie das umgesetzt werden kann, dazu nachstehend einige Beispiele, die zeigen sollen, was alles möglich ist. Dabei wird auf Kosten und dergleichen Hemmnisse zunächst noch keine Rücksicht genommen. Wichtig ist, dass man zunächst bei einem Brainstorming seiner Phantasie freien Lauf lässt, um überhaupt möglichst viele Hilfsmöglichkeiten zu erkennen. Was davon im Einzelnen realistisch umgesetzt werden kann, bedarf natürlich einer Einzelentscheidung, in die dann natürlich auch Kostenaspekte mit einfließen werden.
7.1 Bauwerke
7.1.1 Wohnhäuser
Garagen- und sonstige Flachdächer haben weniger als 10 % Dachneigung. Sie heizen sich im Sommer stark auf. Leicht lassen sie sich begrünen. Es muss stete Praxis werden, alle Arten von Dächern, wo möglich, zu begrünen. Nicht nur Bienen und andere Insekten würden ein solches Vorgehen begrüßen, sondern auch wir Menschen hätten angenehmere Temperaturen, vor allem in heißen Sommern wie den vergangenen Jahren 2018/2019/2020.
Kommunen und Gemeinden verfügen über viel Grundbesitz und Immobilien. Sie sind daher besonders aufgefordert, mit gutem Beispiel voranzugehen und kreative Lösungen für Begrünungen zu entwickeln.
Aber nicht nur Flachdächer lassen sich begrünen. Mittlerweile sind auch Begrünungsmöglichkeiten für normale Walm- und Satteldächer erhältlich.
Auch die Seitenwände eines jeden Hauses lassen sich begrünen, z. B. mit Efeu oder Wein. Beides sind Pflanzen, in denen sich Bienen zur Blütezeit tummeln. Gleiches gilt für Spalierobst und Kletterrosen, etc. Die Früchte helfen zudem noch der ebenfalls bedrohten Vogelwelt.
An den Beispielen sieht man, dass sich für jeden Geldbeutel eine Begrünungsmöglichkeit finden lässt, um so einen sinnvollen Ausgleich für geraubten Grund und Boden zu schaffen.
Eine Studie der Uni Köln zeigte, dass Efeu, wie auch andere (Kletter-)Pflanzen, im Sommer nachhaltig kühlend, im Winter wärmeisolierend auf die Fassaden wirkt: Es gab keine so starken Temperatur-unterschiede wie bei den nicht begrünten Hausfassaden. So zeigte die grüne bewachsene Fassade im Sommer im unteren Temperaturbereich Temperaturschwankungen von 10 bis 13 °C am Tag, während die Temperatur von blanken Hausfassaden um bis zu 35 °C schwankte.
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Die Forscher konnten weiter zeigen, dass Efeu die gesundheitsschädlichen Stickoxide absorbierte und den Feinstaub filtrierte. Zudem hat die Bepflanzung einen positiven Effekt auf die Absorption des Treibhausgases CO2. Mit einer Fassadenbegrünung helfen wir so nicht nur den Bienen, sondern tun auch noch etwas gegen den Klimawandel.
Für begrünte Fassaden empfiehlt das Team um Prof. Dr. Edelmann typische Fassaden-Kletterpflanzen wie Efeu (Hedera helix) mit zahlreichen Sorten oder den Wilden Wein (Parthenocissus). Sie seien sehr anpassungsfähig, trockenheitsverträglich und gedeihen auch an verhältnismäßig anspruchslosen Standorten .
Ideal ist es natürlich, Dach- und Wandbegrünung zu kombinieren und ineinander übergehen zu lassen.
Wir brauchen eine grüne Architektur
In unseren urbanen Landschaften sind Hochhäuser Blickfänger. Meist haben sie Flachdächer, können also - wie zuvor gefordert und beschrieben - begrünt werden. Aber man kann noch einen Schritt weiter gehen und sie nicht nur horizontal, sondern auch vertikal bepflanzen. Die Mailänder haben es uns mit dem Bosco Verticale vorgemacht, wie das geht.
Etwa 900 Bäume, jeder bei der Pflanzung bereits zwischen 3 und 9 m hoch, sowie mehr als 2000 weitere Pflanzen wurden auf den Terrassen und Balkonen an den Fassaden der Gebäude gepflanzt. Die Pflanzungen erfolgten in 1,3 m tiefen Betonwannen. Wären die Bäume eines der Hochhäuser in einer Ebene gepflanzt worden, hätte dies eine bepflanzte Waldfläche von 7000 m² ergeben. Mit einer solchen Konstruktion kann man der Natur mehr Fläche zurückgeben, als man ihr mit der Grundfläche der Gebäude genommen hat. (weitere Infos siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Bosco_Verticale)
Auch die Überbauung von Straßen hilft Grundflächen einzusparen.
7.1.2 Bahnsteigüberdachungen und Haltestellenhäuschen
Obwohl die Deutsche Bundesbahn damit wirbt, Deutschlands schnellster Klimaschützer zu sein, lässt sie doch Möglichkeiten ungenutzt. Sie allein betreibt in der Bundesrepublik 5.679 Personenbahnhöfe (Stand Ende 2019) . Zum Schutz gegen die Witterung werden auf den Bahnsteigen die Fahrgäste regelmäßig mit Flachdächern geschützt. Alles zusammengenommen haben diese Dächer eine riesige Fläche. Diese mit bienenfreundlichen Bepflanzungen zu versehen, würde den Bienen neue Refugien erschließen.
Einige Städte wie Hamburg oder Bremen haben damit begonnen im Öffentlichen Personen-Nahverkehr die Haltestellenhäuschen bienenfreundlich zu bepflanzen. Zwar sind diese Flächen einzeln betrachtet nur klein, aber die Summe bringt für die blütenbesuchenden Insekten zusätzliche Trachtmöglichkeiten, denn viele kleine Blühflächen bringen in ihrer Summe große Wirkung.
7.1.3 Brücken
Laut Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) „befinden sich im Netz der Bundesfernstraßen aktuell etwa 39.500 Brücken, die je nach Bauart und Brückenquerschnitt in Teilbauwerke [1] untergliedert werden, so dass insgesamt etwa 51.360 Brücken-Teilbauwerke mit einer Gesamtfläche von über 30 Millionen m² zu betreuen sind. Die Gesamtlänge beträgt über 2.100 km, was etwa der Strecke von Flensburg bis Neapel entspricht“ . Dazu kommen noch Brücken für die Landes- und Kommunalstraßen.
Die Brückenpfeiler könnten mit geringem Aufwand begrünt werden. Aber auch Straßenunterführungen bieten Möglichkeiten, durch entsprechende Bepflanzung etwas für die Insektenwelt zu tun. Brücken sind regelmäßig sehr solide aus erstklassigem Beton gefertigt, sodass durch die Begrünungsmaßnahmen keine Bauwerksschäden zu befürchten sind.
Lärmschutzwände sollten nicht nur von einer Seite begrünt werden, sondern stets von beiden Seiten.
7.1.4 Masten, Säulen und Schornsteine
Masten, Säulen und große Schornsteinschlote sind zwar reine technische Anlagen, aber auch sie können bienenfreundlich begrünt werden. Das lockert nicht nur die strenge Form der Objekte auf, sondern ist auch klima- und bienenfreundlich.
Nur wenn wir konsequent alle Begrünungsmöglichkeiten ausschöpfen, können wir einen nachhaltigen Erfolg für unsere Insektenwelt und das Klima erreichen .
7.2 Straßen und Verkehrsflächen
7.2.1 Straßenbelag und Pflasterungen
Nahezu jedes Gebäude hat eine gepflasterte Zuwegung. Insbesondere wenn die Fugen zwischen den einzelnen Pflasterelementen mit Zement etc. verschmiert werden, haben bodennistende Wildbienen keine Möglichkeit, hier ihre Nester zu bauen. Ganz anders, wenn man bewusst größere Fugenabstände toleriert oder gleich eine Pflasterung, wie auf dem Foto auf der nächsten Seite gezeigt, realisiert wird. Dort können zum Beispiel Sandbienen etc. ohne Schwierigkeiten ihre Nistgänge anlegen. Dabei ist man nicht auf langweilige Quadrate angewiesen, sondern kann durchaus auch eine künstlerische Gestaltung realisieren.
In vielen Wohngebieten gibt es nur Asphaltstraßen. Hier könnte man daran denken, grundsätzlich überall dort, wo es möglich ist, statt eines nicht porösen, versiegelnden Straßenbelags bienenfreundliche Pflasterungen zu verwenden.
7.2.2 Straßenbau
Straßen zerschneiden die Landschaft und bilden für viele Tiere unüberwindliche Hindernisse. Wenn man Straßen überdacht und die Dächer begrünt, gibt man der Natur einen Teil des geraubten Grundes und Bodens wieder zurück. Sicher ist das sehr kostspielig, aber in Hamburg geht man mit dem Projekt „Deckel über die A1“ mit gutem Beispiel voran. Die A1 verschwindet an vier Stellen in Hamburg im Erdboden. Darüber wird Erdreich aufgebracht und der so gewonnene Platz für Parkanlagen und Kleingärten genutzt. An diesen Stellen ist dann der Flächenverbrauch für die Straßen gleich null. Straßen zu deckeln stellt eine Möglichkeit dar, eine andere Möglichkeit ist, dass man Straßen - wo möglich - unter die Erde verlegt. Das würde den Flächenverbrauch reduzieren und es würden sich auch nur relativ wenige Insekten in die Tunnel verirren und dort zu Tode kommen. Man schafft also weitere Habitate und minimiert damit die Reduzierung der Insektenzahl durch den Autoverkehr.
Die amerikanische Großstadt Boston ist hier noch einen Schritt weiter gegangen. Sie hat unter großem Kostenaufwand ihre Hauptverkehrsstraßen in der Innenstadt im Rahmen des Projektes BIG DIG konsequent unter die Erde verlegt und so Raum für Garten- und Parkanlagen gewonnen. Die Folge: das Innenstandklima hat sich spürbar verbessert. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen: in diese Gärten/Parks sind die Insekten zurückgekehrt.
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Die Bilder zeigen einen kleinen Ausschnitt des gigantischen Projekts, die Boston Central Artery, vor und nach den Umbauten .
Hochstraßen in Großstädten sind sehr beliebt, ermöglichen sie doch ein kreuzungsfreies schnelles Vorankommen. Aber wenn diese Hochstraßen in die Jahre kommen und der Belastung des Straßenverkehrs nicht mehr gerecht werden, dann stehen die Städte vor der Frage, was sie mit diesen Bauruinen machen. Abreißen und neu bauen. Aber es gibt auch andere Nutzungsmöglichkeiten. Seoul hat die entwidmeten Hochstraßen nicht abgerissen, sondern davon einen sogenannten Skygarden gemacht:
Ähnliche Projekte gibt es auch in anderen Großstädten, wie z. B. das High Line Projekt in New York.
7.2.3 Straßenbäume
Die unterirdische Verlegung von Straßen ist zweifelsohne sehr kostenintensiv. Weitaus preisgünstiger wäre es, wenn man Straßen grundsätzlich als Alleen konzipiert. Die am Rande der Straßen stehenden Bäume überdachen die Fahrbahn dann mit ihren weit ausladenden Ästen.
Generell sollten in Stadt und Land Straßen mit bienenfreundlichen Bäumen begrünt werden: Mehr Nahrung für Bienen und bessere Luft, auch im Sinne von CO2-Verminderung, wären die Folge.
Bäume sind nicht nur als Alleen sinnvoll, sie sollten auch das Rückgrat der Stadtbegrünung sein. Die Marburger Naturschutz-Biologin Professor Dr. Birgit Ziegenhagen führt dazu aus :
"Pflanzen und Bäume können ja nicht weglaufen. … Bei langlebigen Organismen wie Bäumen wirken sich sichtbare Effekte erst über längere Zeiträume aus. Wenn einige Individuen verlorengehen, heißt es nicht zwingend, dass die Population ausstirbt." Die gute Nachricht sei, dass Pflanzen eine eigene Überlebensstrategie beinhalten.
"Pflanzen können sich in ihrer genetischen Struktur auch plastisch verhalten. Sie nehmen ihre Umwelt wahr, mit der sie als stationäre Wesen verbunden sind. Sie sind nicht immer hilflos. Pflanzen reagieren mit ihren Zellen in einem vielschichtigen Prozess". Das Überleben beispielsweise von langlebigen Organismen, wie Bäumen, hänge weitgehend davon ab, ob es diesen gelingen kann, ihre Merkmale zu variieren und sich dadurch an die ständigen Umweltveränderungen anzupassen.
Die Wissenschaftlerin Ziegenhagen plädiert für das Aufforsten der Städte. "Verfügen Bäume in der Stadt über eine hohe Plastizität, so können diese dadurch eine individuelle Anpassungsstrategie entwickeln." Diese Interaktion zwischen Umwelt und Genetik sei eine wichtige Antwort auf den Klimawandel.
Umso wichtiger sei es, immer mehr Bäume gegen den Klimawandel in die Städte zu verpflanzen. Hier ist eine innovative Stadtarchitektur gefragt. Beispiel: Bäume mit der genetischen Diversität, wie die Weißtanne scheinen sich "klimafit" zu verhalten. Durch ihre hohe Plastizität kann sie sich optimal anpassen an Trockenheit, Hitze und Stürme.“
Gängige Praxis ist, für Alleen nur eine Baumart auszuwählen. Es hat Tradition, mit gleichwachsenden Bäumen Alleen zu gestalten. Mit dieser Monokultur schafft man allerdings die Autobahnen zur Verbreitung von Krankheiten und „Schädlingen der Bäume“. Dies hat sich besonders spürbar für den Menschen durch die Ausbreitung des Eichenprozessionsspinners gezeigt. Verschiedene Baumarten würden bei einer entsprechenden Auswahl zudem eine längere Blütezeit haben; z. B. verschiedene Lindenarten und -sorten.
Zum Problemkreis Straßenbegleitgrün, Wegränder und ihrer Pflege siehe auch Kapitel 7.5.4
7.2.4 Gleisbettnaturierung
Eine besondere Form von bienenfreundlicher und natürlich auch klimafreundlicher Gestaltung von Verkehrswegen stellen die Gleisbettnaturierungen dar, die schon in einigen deutschen Großstädten vorgenommen wurden.
Die Entwicklung des Bestandes an grünen Gleisen in Deutschland stellt sich wie folgt dar:
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Dabei hat man mehrere Möglichkeiten. Man kann sich entweder für eine Bepflanzung mit Sedum oder mit Rasen entscheiden. Dabei sollte man allerdings auf die Sonneneinstrahlung vor Ort und mögliche Beschattung Rücksicht nehmen. Hier ein schönes Beispiel für ein Sedumgleis in Bremen:
Das Schienennetz der Deutschen Bundesbahn ist mit 33.242 km das längste in Europa. Wenn hier das Gleisbett in ähnlicher Weise begrünt werden könnte, wäre das ein großer Gewinn für Bienen und Umwelt.
7.3 Verkehrsmittel
Sowohl auf den Windschutzscheiben der PKWs und LKWs als auch auf den Frontscheiben der Züge der Bundesbahn findet man eine Vielzahl toter Insekten. Es stellt sich die Frage, ob durch eine geänderte Aerodynamik Abhilfe geschaffen werden kann. Hier muss man die Autobauer und die Bahn in die Pflicht nehmen.
Aber auch die seit langem geforderte allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung auf bundesdeutschen Autobahnen kann hier Entlastung bringen. Es ist einfach nicht nachzuvollziehen, warum es diese Geschwindigkeitsbegrenzung im übrigen Europa schon gibt, aber nicht in der Bundesrepublik.
7.4 Stromerzeugung
7.4.1 Photovoltaikanlagen
Sie verschönern nicht gerade die Landschaft und versiegeln sie, wenn darunter für Bienen nur wertloses Gras wächst. Wenn man die Fläche mit entsprechenden Blühmischungen aufwertet, kann man der Versiegelung kostengünstig entgegenwirken. Eine Änderung der Bauvorschriften, dass der Einsatz von Blühmischungen unter den Kollektoren Pflicht ist, würde hier Abhilfe schaffen
Zurzeit stehen in Deutschland auf Dächern und Freiflächen auf ca. 300 km² Photovoltaik-Anlagen. In Hinblick auf die angestrebte Energiewende müssen zukünftig weitere 1.000 km² Flächen mit PV-Anlagen ausgerüstet werden . Der Flächenbedarf von PV-Freiflächenanlagen beträgt ca. das 2- bis 2,5-fache der reinen Modulfläche. Weiterhin spielen die Mindestgröße (> 0,7 ha), deren Langfristigkeit von mindestens 20 Jahren und deren Streuung in der Landschaft eine gewichtige Rolle. Gerade die großen zu nutzenden Areale sowie durch die Langfristigkeit sind Photovoltaikanlagen als eine sehr nachhaltige Maßnahme anzusehen. Anders als z. B. Blühflächenprogramme, die meist nur ein Jahr, bestenfalls wenige Jahre laufen.
Sehr zu begrüßen ist hier das Projekt des Landesverbandes Bayerischer Imker durch entsprechende Bepflanzung, die Freiflächen auf Photovoltaikanlagen in Hotspots von Bienen und anderen Tieren umzuwandeln.
Auch auf Hausdächern angebrachte Solaranlagen können mit einer bienenfreundlichen Bepflanzung kombiniert werden:
7.5 Landwirtschaft
7.5.1 Pflanzenschutzmitel
Es ist weithin bekannt, dass verschiedene Pflanzenschutzmittel, insbesondere Insektizide, Bienen und auch andere Insekten schädigen können. Besonders im Fokus stehen die Insektizide, die leider wenig selektiv sind. Hier müssen Präparate her, die zielgerichteter wirken, ohne die katastrophalen Begleiterscheinungen auf die Insektenwelt. Gefordert ist vornehmlich die chemische Industrie, nicht die Landwirtschaft, der nichts anderes übrigbleibt, als die Präparate einzusetzen, damit sie dem kostengünstigen Produktionsdruck standhalten kann. Bis dahin müssen andere Lösungen her.
Vergleicht man konventionell mit Pflanzenschutzmitteln bewirtschaftete Flächen , ökologisch bewirtschaftete Flächen mit Flächen, auf denen noch nie Pflanzenschutzmittel eingesetzt wurden, so ergeben sich erhebliche Unterschiede: Bei der floristischen Biodiversität, einer aggregierten Maßzahl aus Artenvielfalt, Deckungsgrad, blühenden Sorten und Blühintensität, ergibt sich ein Verhältnis von 100 zu 53 zu 3 – von den Schutzäckern zu ökologischen zu konventionellen Flächen .
Eine Möglichkeit zur erheblichen Verringerung des Kontakts zwischen Biene und Pflanzenschutzmittel ist der Einsatz der Droplegdüsen-Technologie. Sie wird trotz Praxisreife leider immer noch zu wenig genutzt, obwohl der positive Effekt für Bienen und andere Insekten offensichtlich und auch die Wirksamkeit belegt sind. Dabei werden die Präparate nicht von oben auf die Pflanzen aufgebracht, sondern die Düsen durch die Pflanzenreihen gezogen. Die Düsen wirken direkt an die Blattunterseiten, wo die Schädlinge sitzen. Damit wird die Kontamination der Blüte und damit der Bienen deutlich reduziert. Neben einer besseren Verteilung kommt es zu einer geringeren Abdrift, was die Rückstandsproblematik deutlich entschärft.
Bisher gibt es aber immer noch keine geeigneten Förderprogramme, die eine rasche Nachrüstung ausreichend fördern; bisher gibt es nur Programme für Neuanschaffungen. Dies ist in der langen Nutzungszeit von Pflanzenschutzgeräten unakzeptabel, da so eine Marktdurchdringung Jahrzehnte braucht. Hier muss die Politik dringend nachbessern und unverzüglich den flächendeckenden Einsatz umsetzen, notfalls per Gesetz!
Zusätzlich sollten Landwirte den Spritzbeginn möglichst in die Abendstunden verlegen, auch bei bienenungefährlichen Mitteln.
Eine sinnvolle Digitalisierung, Rückkehr zum Schadschwellenprinzip statt prophylaktischer Anwendung hilft beim gezielten, effizienten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und führt neben der Reduzierung des Schadstoffeintrages ins Grundwasser zur Reduzierung der Gefahren für Blütenbestäuber.
• Dringend zu beachten ist, dass es bei Mischungen mit mehreren Pflanzenschutzmitteln zu einer Änderung der Bienengefährdung kommen kann. Je nach Kombination kann die Kombination bestimmter jeweils bienenungefährlich (B4) eingestufter Insektizide und Fungizide zu einer Änderung der Bienengefährlichkeit führen, und sich die Einstufung von bienenungefährlich zu bienengefährlich (B1) ändern. B1 Mittel dürfen nicht auf blühende oder von Bienen beflogenen Pflanzen ausgebracht werden (gilt auch für Unkräuter oder Pflanzen mit Honigtau)
7.5.2 Ackerkulturen
Der Deutsche Imkerbund ist dem Problem der Fokussierung auf wenige für Bienen uninteressante Ackerkulturen, wie Getreide und Mais, schon in der Vergangenheit massiv entgegengetreten. So hat der DEUTSCHE IMKERBUND den Einsatz der „Durchwachsenen Sylphie“ gefördert wie auch hinsichtlich des Anbaus von „Leindotter“ Forschungsgelder zur Verfügung gestellt. Beide Pflanzen können den massiven Anbau von Mais reduzieren helfen. In dieser Richtung muss weitergearbeitet werden.
Die vorstehenden Bilder zeigen fast idyllische Verhältnisse, sind diese Felder doch noch überschaubar und zudem mit Randbepflanzungen und Knicks versehen. Diese Randbepflanzungen helfen bei der Vernetzung von Biotopen, ohne die es für Wildbienen nur noch Insellösungen gibt, die letztlich das Bienensterben nicht aufhalten können.
Die Konzentration in der Landwirtschaft und der Rückgang der kleineren und mittleren Familienbetriebe fördern die Industrialisierung der Landwirtschaft und damit z.T. vermehrt den großflächigen Anbau gleicher Ackerkulturen. Große Betriebe haben jedoch auch mehr Mittel für Wildbienen-Fördermaßnahmen zur Verfügung.
Der Deutsche Imkerbund hat mit seiner Handreichung eine Reihe von Vorschlägen erarbeitet, wie eine zumutbare veränderte Landwirtschaft ihren Beitrag gegen das Insektensterben leisten kann:
Blühflächen
Ein- oder mehrjährige Blühmischungen schaffen auf Ackerflächen, z. B. am Rand eines Maisackers, oder auch als Weinbergsbegrünung einerseits eine Nahrungsverbesserung für Insekten und andererseits einen Imagegewinn für Landwirte und Weinbauern. Verschiedene Saatgutanbieter haben spezielle Blühpflanzenmischungen entwickelt, die den jeweiligen regionalen und ökologischen Voraussetzungen angepasst sind. Diese Blühflächen, als ökologische Vorrangflächen bewertet, sind ideale Habitate für eine Vielzahl von Insekten, auch können sich Nützlinge vermehren und diese dann Schädlinge bekämpfen.
Eh-da-Flächen und Wegränder
Flächen an Weg- und Ackerrändern, Ufern, Straßen usw. werden als sog. „Eh-da-Flächen“ bezeichnet, weil diese Flächen ohnehin da sind. Gemeinden und Kommunen können mithelfen, dass sich dort wertvolle Pflanzengesellschaften ansiedeln. Ideal sind hierfür Blühpflanzen, die bezüglich Wasser und Nährstoffen anspruchslos sind. In den meisten Fällen wachsen bereits geeignete Pflanzen auf diesen Flächen oder können problemlos eingesät werden. Wichtig ist jedoch, die so genannten „Pflegemaß-nahmen“ dem Wachstumsrhythmus der Pflanzen anzupassen.
Saum- und Kleinbiotope
Böschungen, Raine, Hecken/Knicks, Feldholzinseln, Brachen usw. unterliegen keiner eigentlichen landwirtschaftlichen Nutzung, können aber wertvolle Biotope darstellen. Der Erhalt oder die Neuschaffung solcher Flächen bedeutet eine wertvolle Ergänzung zur Nahrungsverbesserung für Insekten, und andere Tiere. Diese Saumbiotope sollten mindestens fünf Meter breit sein und eine Abdrift von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln vermieden werden.
Zwischenfrüchte auf Ackerflächen
Bei der rechtzeitigen Aussaat von Zwischenfrüchten gibt es nur Gewinner. Dem Boden wird organische Masse zugeführt, dadurch das Bodenleben verbessert und die Insekten haben bis
in den Spätherbst eine gute Pollen- und Nektarquelle. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass möglichst sofort nach der Getreideernte Phacelia, Ackersenf oder Ölrettich eingesät werden, damit die Zwischenfrüchte noch im Herbst zur Blüte gelangen. In vielen Bundesländern werden dem Landwirt für die Aussaat von Zwischenfrüchten Anreize geboten. Für einen frühen Aussaattermin sollten auch hohe Bewertungsfaktoren angerechnet werden.
Anbau von Leguminosen
Der Anbau von Leguminosen als Hauptkultur, wie z. B. Ackerbohnen, Lupinen und Erbsen, hilft dem Landwirt, Dünge- und zugekaufte Futtermittel einzusparen. Gleichzeitig werden Blühflächen zur Nahrungsverbesserung von Insekten bereitgestellt, die einen bedeutenden Teil der ökologischen Vorrangflächen darstellen.
Energiepflanzen als Alternative zu Mais
Schon mehrere Jahre in Erprobung sind Wildpflanzenmischungen, inklusive spätblühender, trockenresistenter „Prärie-Pflanzen“, wie Sonnenhut, Sonnenbraut usw., und die Durchwachsene Silphie. Wildpflanzenmischungen haben eine hohe ökologische Bilanz. Beim sog. „Prärie-Mix“ wird ein Wachstum auch bei geringem Niederschlag erzielt. Die Durchwachsene Silphie kommt im Methanertrag an den Ertrag von Mais. Als weitere neue Energiepflanzen in Erprobung sind: Amaranth (Fuchsschwanz), Fagopyrum (Buchweizen), Quinoa (Inkareis), Sida (Virginia-Malve), Camelina (Leindotter) und Topinambur (Jerusalem-Artischocke). Je nach betrieblicher Ausrichtung können verschiedene Pflanzen als „Spezialitäten“ von Interesse sein. Zum Beispiel gibt es Abnehmer für Buchweizen, Inkareis und Fuchsschwanz.
Erweiterung klassischer Fruchtfolgen
Leindotter ist trockenresistent und aufgrund seines hohen Anteils an ungesättigten Fettsäuren im daraus gewonnenen Öl eine gesuchte Kulturpflanze. Ebenso kann er als hochwertiges Eiweißfutter für Rinder, Schweine und Geflügel dienen. Sonnenblumen als Hauptfrucht schaffen eine Fruchtfolge mit Blühpflanzen und sind auch für Landwirte aufgrund des guten Öles eine interessante Ertragsquelle.
Streuobstbestände/Artenreiche Wiesen
bieten Habitate und Nahrung für Insekten. Streuobstbestände lockern als altes Kulturgut die Landschaft auf und erfreuen den Besucher der Natur. Landwirtschaftlich genutzte Wiesen
beherbergen aufgrund häufiger Mahd und starker Düngung nur noch ein stark reduziertes Artenspektrum. Daher ist die Neuschaffung artenreicher Wiesen dringend notwendig, egal wie
groß, bereichern sie unsere Landschaft - sowohl optisch als auch ökologisch.
7.5.3 Überackerung
Es gibt Landwirte, die bei der Bewirtschaftung ihrer Felder, sei es aus Unwissenheit oder Kalkül, Wegeränder oder sogar ganze Wege überpflügen. Dadurch gehen den Gemeinden – und was noch viel wichtiger ist, der Insektenwelt – erhebliche Flächen verloren. So wurde in einer Untersuchung im Kreis Steinfurt für die Gemeinde Emsdetten eine Überackerung von städtischen und privaten Flächen von über 6,5 ha ermittelt. Die Landwirtschaft hat sich die früher vorhandenen Ackerraine und extensive, wenig genutzte Wege und Flächen einfach „einverleibt“. Hinzu kommt, dass häufig die gesetzlich vorgeschriebenen Abstände zu Gräben, Vorflutern und Fließgewässern nicht eingehalten wurden. Viele Gemeinden haben mit diesem Phänomen zu kämpfen.
Die Gemeinde Oyten im Landkreis Verden hat für die ihr gehörigen Wege und Grundstücke eine einfache Lösung gefunden. Sie hat auf diesen Randstreifen insektenfreundliche Bäume und Büsche gepflanzt, sodass über die Grundstückgrenze nicht hinaus gepflügt werden kann.
7.5.4 Problemkreis Mähen und Mulchen
Blühende Wiesen werden in der heutigen Landwirtschaft immer weniger. Wenn diese abgemäht werden, kostet das vielen Insekten das Leben. Der Grund ist nicht das Mähen als solches, sondern die eingesetzten Mähaufbereiter, die das gemähte Gras brechen und aufbereiten und so dem Landwirt einen Arbeitsgang ersparen.
Rudolf Ritter, Leiter des Fachbereiches Bienen an der Landwirtschaftsschule Rütti in der Schweiz, hat auf dem Badischen Imkertag 2018 in Stockach über seine Forschungen berichtet . Als Ergebnis empfiehlt er, zunächst auf einem abgegrenzten Teil der Wiese Bienen zu zählen und je nach der Stärke des Bienenbeflugs die Art des Mähens festzulegen. Dies ist eine Methode, die den Insekten hilft, ohne den Landwirt mit zusätzlichen Investitionen etc. zu belasten. Es ist nur ein wenig Sensibilität und Aufmerksamkeit erforderlich. Problematisch wird es nur bei Lohnunternehmern, weil der Landwirt bei deren Einsatz keinen Einfluss auf den Mähzeitpunkt hat. Ansonsten hilft auch die Einhaltung folgender einfacher Regeln:
• Staffelmahd- nicht alle blütenreichen Flächen eines Gebietes gleichzeitig mähen. Somit steht durchgängig eine Nahrungsquelle zur Verfügung.
• Bienenflug beachten - Möglichst morgens oder abends und nicht an sonnigen Tagen, sondern bei Bewölkung und kühlem Wetter mähen.
• Verwendung eines Balken- oder Kreisel-Mähwerkes und einem Vorbau zum Abtreiben von Insekten und Tieren.
Aber nicht nur die Landwirtschaft ist bezüglich des Mähens und Mulchens gefordert. Etwa 1,7% der Bundesfläche sind Straßenbegleitgrün (60.000 qkm). Dieses wurde bislang von Straßenbauverwaltungen meist mit herkömmlichen Mulchgeräten bewirtschaftet. Bei dieser konventionellen Bewirtschaftungsmethode wird fast der gesamte Insektenbestand vernichtet. Noch größer ist der Schaden durch das liegengebliebene kleingehäckselte Gras. Es bildet eine Filzschicht und nimmt den keimenden/heranwachsenden Pflanzen Licht und Wärme. Zudem wird der Boden nicht vermagert und es breiten sich nährstoffliebende Pflanzen aus.
Die Firma MULAG hat nunmehr mit wissenschaftlich fundierter Begleituntersuchung ein insektenschonendes Gerät entwickelt. Die Mähköpfe sind wie bisher an einem Schwenkarm befestigt und beinhalten viele insektenschonende Techniken wie Scheibenmähwerk anstatt Schlegel, größere Schnitthöhe, Insektenscheucher und neben weiteren Techniken auch eine Ansaugung des Mahdgutes oberhalb des Mähwerks. Dieser ECO 1200 PLUS führt bei Spinnen und den meisten Insektengruppen zu zwischen 20 und fast 80% geringeren Insektenverlusten .
7.6 Gärten, Grünflächen und Parks
7.6.1 Öffentliches Grün
Öffentliche Grünflächen haben eine sehr wichtige Funktion als Freizeit- und Erholungsflächen für die Bevölkerung und bilden die grünen Lungen unserer Städte. Trotzdem sieht man allerorten tote und langweilige Grasflächen. Man könnte eine Vielzahl dieser Flächen optisch durch Blühwiesen aufwerten, ein Gewinn für das Auge und damit die Erholungsfunktion der Flächen sowie die nach Nahrung suchenden Bienen.
Bei Anpflanzungen und Ansaaten sollten für die Auswahl die art- und ortspezifischen Ansprüche von Wildbienen berücksichtigen werden, vor allem auch hinsichtlich der Pollenansprüche.
Kommunen können dafür sorgen, dass aus „öffentlichem Grün“ ein „öffentliches Bunt“ wird. Neben der Verschönerung des Stadt-/Ortsbildes fallen die mehrmaligen Mähkosten weg. Diese allein finanzieren die Saatgutkosten. Mit Schildern kann auf das Anliegen der Schaffung von Lebensräumen und Nahrungsquellen hingewiesen werden.Auch neue Gestaltungskonzepte auf Friedhöfen werden unter dem Aspekt der Entstehung wertvoller Nahrungs- und Nistareale für Blütenbestäuber umgesetzt. In Braunschweig wurden bereits auf etwa 100 städtischen Flächen Blühflächen, Staudenpflanzungen oder Streuobstwiesen für Wildbienen neu angelegt sowie die Wiesenmahd extensiviert.
Bürgerinnen und Bürger sollten in ihren Gärten Pflanzen bevorzugen, die eine „offene“ Blüte haben. Schon durch die Aussaat einer kleinen Tüte „Wildblumen-Mischung“ oder „Bienenweide“ haben die Bienen bis in den Herbst eine gute und vielseitige Nahrungsquelle. Denn auch viele kleine Blühflächen bringen in der Summe eine große Wirkung. Auf Bodenverhältnisse angepasste Mischungen und den angegebenen Aussaatzeitpunkt ist dabei zu achten. Zu bevorzugen sind mehrjährige Mischungen aus heimischen Wildpflanzen. Ideal sind Mischungen nach dem Regiosaatgutkonzept, die auf die lokale Flora abgestimmt sind. Solche Mischungen für verschiedene Einsatzzwecke wurden z.B. vom Institut für Bienenschutz in Braunschweig entwickelt.
Mit gutem Willen und etwas zeitlichem Engagement können alle mithelfen, dass unsere Insekten wieder ein besseres und geeigneteres Lebens- und Vermehrungsumfeld finden.
7.6.2 Zäune/Mauern
Zäune und Mauern sollten stets mit blühenden pollen- und nektarliefernden Pflanzen begrünt werden. Dadurch wird nicht nur die strenge Geometrie der Anlage aufgelockert, sondern eine Menge für die Umwelt getan. Auch den tristesten Hinterhof kann man damit in ein Bienenparadies verwandeln.
Sehr speziell sind Gabionenmauern. Viele nutzen sie als reine Steinmauern in Drahtkörben. Aber auch diese lassen sich bienenfreundlich bepflanzen und begrünen:
7.6.3 Schottergärten und Rindenmulch
Ein besonders ärgerlicher Fall der Versiegelung in Städten und Gemeinden sind die in Mode gekommenen Schottergärten und Mulchungen von Beeten und Baumscheiben im privaten und öffentlichen Bereich. Schottergärten und mit anderen Materialien (z.B. Rindenmulch, Holzhackschnitzeln, Blähton) bedeckte Flächen bieten keine Nahrung, verhindern das Nisten bodennistender Wildbienen und haben keine positive Wirkung auf das Stadtklima. Hier müssen Aktivitäten ergriffen werden, um diesem Trend Einhalt zu gebieten. Denkbar sind Ordnungsmaßnahmen von Gemeinden (z. B. ein Verbot von Schottergärten bei Neubauten wie in Bremen ).
Man könnte auch an die Vertreiber und Planer von Schottergärten und Garten- und Landschaftsbau-Firmen herantreten, damit sie zumindest auf die Folgen bei Ihren Kunden hinweisen, wenn nicht sogar ihres Beratungs- und Geschäftsaktivitäten in diesem Sinne einstellen. Eine allgemeine Aufklärung der Bevölkerung durch die ortsansässige Verwaltung muss ebenfalls forciert werden.
7.6.4 Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in Privatgärten
Zwar wird in der Landwirtschaft der größte Teil an Pflanzenschutzmitteln eingesetzt, aber jeder Landwirt benötigt dafür eine entsprechende Ausbildung und Zulassung.
Ganz anders ist die Situation in unseren Privatgärten. Jeder Bürger kann Unkrautvernichtungs- und andere Mittel auf dem freien Markt käuflich erwerben. Ein Sachkundenachweis wird nirgends verlangt und ist auch nicht vorgeschrieben. Dabei geht es um den Einsatz von immerhin 5000 Tonnen Pflanzenschutzmittel in unseren Privatgärten. 90 Tonnen davon entfallen dabei auf den Wirkstoff Glyphosat. Pflanzenschutzmittel für Haus und Garten erzielten im Jahr 2015 einen Umsatz von 65,7 Millionen Euro.
Hier ist dringender Regelungsbedarf durch den Gesetzgeber angesagt. Zumindest sollte beim Kauf von Pflanzenschutzmitteln generell ein Sachkundenachweis gefordert werden. Besser wäre noch ein allgemeines Verbot von Pflanzenschutzmitteln in Privatgärten.
Frankreich hat schon 2014 den Einsatz von Pflanzenschutzmittel auf kommunalen Flächen verboten. Geplant ist ein weiteres Verbot für den Verkauf von Pflanzenschutzmitteln an Amateurgärtner und den Einsatz in Haus- und Kleingärten. Die Beneluxländer streben ähnlich Regelungen an.
Auf den kommunalen Flächen werden immer weniger Pflanzenschutzmittel eingesetzt, da die Kommunen selber schon darauf verzichten. Die Kleingartenverbände haben regelmäßig in ihren Gartenordnungen einen Passus , der den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in Kleingärten verbietet.
7.7 Bäume
Ihr Wert als Alleebäume etc. wurde vorstehend schon an mehreren Stellen beschrieben . Aber Bäume sind noch vielfältiger im Sinne von Klimaschutz und Bienenförderung einsetzbar.
Pollen und Nektar spendende Bäume verwöhnen Bienen im Überfluss. Keine andere Pflanzenart schafft es auf so engem Raum den Blüten besuchenden Insekten ein so reichhaltiges Nahrungsangebot zu unterbreiten. Deshalb bedürfen sie besonderer Beachtung.
Abgesehen davon, dass man Baumscheiben bepflanzen kann, gibt es noch viel mehr Möglichkeiten. Eine zeigt uns die Natur in den Wäldern. Dort ranken sich sehr oft Efeu oder wilder Wein an den Bäumen empor und sorgen mit ihren Blüten zu einer anderen Trachtzeit als der Blütezeit des Baumes für ein weiteres Nahrungsangebot. Also, warum begrünen wir unsere Bäume nicht mit solchen Pflanzen? Bedenken, dass die Schlingpflanzen die Bäume abwürgen, sind grundlos. Jeder gut entwickelte Baum kann damit begrünt werden.
Bäume werden bekanntlich sehr alt. Aber irgendwann werden sie krank und sterben ab. Was ist dann mit den abgestorbenen Bäumen? Wenn man lediglich die Kronen abschneidet und die Stämme – soweit sicherheitstechnisch vertretbar – stehen lässt, ergibt sich neuer Lebensraum für Insekten wie Käfer und von deren Fraßgängen profitierende hohlraumbesiedelnde Wildbienen.
7.8 Professionelle Insektenvernichter
Sind sie eine Gefahr für unsere Wildbienen? Hier muss Transparenz geschaffen werden. Wie viele Nester werden jedes Jahr abgetötet, umgesiedelt oder dergleichen. Wie wird man professioneller Insektenvernichter? Was für Voraussetzungen verlangen die Behörden bevor sie die Genehmigung nach § 18 Naturschutzgesetz erteilen? Zumindest sollte der DEUTSCHE IMKERBUND in geeigneter Weise mit diesen kooperieren, um hier eine größere Sensibilität zu erzeugen. Sicherlich lassen sich auch Kooperationen mit den Imkervereinen vor Ort erreichen.
8. Fazit
Aus den vorstehenden Betrachtungen können folgende Erkenntnisse gewonnen werden:
1. Wissenschaftliche Untersuchungen zu Wildbienen und Erfassungen sind sehr punktuell und können nicht verallgemeinert werden. Es fehlt ein Monitoring und eine verlässliche Gesamtdarstellung.
2. Das Thema Nahrungskonkurrenz ist nur ein Nebenkriegsschauplatz, da es sich um ein Sekundärphänomen handelt. Primäre Ursache ist der Wegfall von Nahrungsgrundlagen. Wenn diese Ursache beseitigt wird, dann hilft das Wild- wie auch Honigbienen. Letztlich konzentriert sich die Frage, wie man den Wildbienen am besten helfen kann, auf die Bereitstellung eben dieser Nahrungsgrundlagen, so dass Konkurrenzsituationen zwischen Wild- und Honigbienen von vornherein ausgeschlossen werden können. Deshalb sollte der DEUTSCHE IMKERBUND in dem Themenbereich Bienenweide Prioritäten setzen.
3. Es ist möglich durch eine „blütenreiche Architektur und Stadtgestaltung“ dafür zu sorgen, dass nicht mehr Flächen verbraucht werden. Der tägliche Flächenverbrauch von derzeit 69 ha kann und muss drastisch reduziert werden. Darüber hinaus können auf diese Weise der Natur so viele andere Habitate zur Verfügung gestellt werden, dass der Flächenverbrauch nicht nur ausgeglichen wird, sondern auch die Sünden der Vergangenheit deutlich gelindert werden könnten. Durch entsprechende Gestaltung von Bauwerken, Straßenbauten, etc. muss der Natur das wieder zurückgegeben werden, was ihr durch den Flächenverbrauch genommen wurde. Dadurch können für alle Bienenarten zusätzliche Nahrungsgrundlagen geschaffen werden.
4. Hohe Kosten für eine Maßnahme sind grundsätzlich kein Hinderungsgrund für aufwendige Projekte. Viele der vorstehend beschriebenen Lösungen überschreiten die Milliardengrenze. Entscheidend ist der Wille, etwas umsetzen zu wollen. Ist der Wille vorhanden, ergeben sich regelmäßig auch Lösungen, die tragfähig sind. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, welche enormen Geldmengen eingesetzt werden können, wenn das Bewusstsein für die Notwendigkeit ihres Einsatzes geweckt wurde.
5. Bei allen Planungen und zu ergreifenden Maßnahmen darf das öffentliche Bewusstsein nicht außer Acht gelassen werden. Öffentliches Bewusstsein beeinflusst Entscheidungsträger positiv. Wir brauchen nicht nur einen Honigbienen-Hype, sondern einen Bienen-Hype, der alle Bienenarten umfasst. Um diese Hypes loszutreten, müssen wir den Kontakt zu allen relevanten Interessenvertretern offensiv suchen.
6. Die in diesem Konzept erarbeiteten Leitsätze sollten den Rahmen aller Aktivitäten bilden:
- Was den Wildbienen hilft, nützt auch der Honigbiene
- Was nicht gemessen werden kann, kann nicht beurteilt werden!
- Was der Natur genommen wird, muss ihr auch zurückgegeben werden.
- Wir brauchen mehr Diversifizierung und Brachen in der Landwirtschaft
- Wir brauchen eine blütenreiche Architektur und Stadtnatur
9. Danksagung
Diese Arbeit hat viele Unterstützerinnen und Unterstützer gehabt. Ich danke Dr. Manfred Wörner - Fachwart Bienenweide vom LV Saarländischer Imker, Rainer Holzapfel – Vizepräsident des Landesverbandes Bayerischer Imker, Dr. Melanie von Orlow – Vorsitzende des Imkerverbandes Berlin, Thomas Hock – Vorsitzender Imkerverband Rheinland-Pfalz, Hermann Hüsers - Obmann für Bienenweide des Landesverbandes der Imker Weser-Ems, Josef Berkemeyer – Obmann für Natur- und Umweltschutz des Landesverbandes Westfälischer und Lippischer Imker, Henry Greil vom Ludwig Kühn Institut in Braunschweig sowie Petra Friedrich, Verena Velten, Daniel Herrmann und Olaf Lück vom Deutschen Imkerbund. Sie alle haben mir mit Rat und interessantem Quellenmaterial zur Seite gestanden. Dafür sei ihnen gedankt.
10. Impressum
Herausgeber:
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Villiper Hauptstraße 3
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Internet: www.deutscherimkerbund.de
Verfasser und V.i.S.d.P.:
August-Wilhelm Schinkel
Hammestr. 47
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